Ellbogendysplasie (ED) beim Hund
Warum ist die Anatomie des Ellbogens so wichtig? Das Ellenbogengelenk wird von drei Knochen gebildet: dem Humerus (Oberarmknochen), der die knöcherne Stütze des Oberarms von der Schulter bis zum Ellbogen darstellt; die Ulna (Elle), die vom Ellbogen bis zur Pfote entlang der Rückseite des Unterarms verläuft; und der Radius (Speiche), der die Hauptbelastung entlang der Vorderseite des Unterarms trägt. Alle drei dieser Knochen müssen sich mit der gleichen Geschwindigkeit entwickeln und wachsen, damit sie perfekt am Ellbogen anliegen. Bei einem gesundem Gelenk bewegt sich das Gelenk leicht und ermöglicht dem Patient einen schmerzfreien Gang.
Was ist eine Ellbogendysplasie?
Eine Ellbogendysplasie entsteht, wenn die gelenkbildenden Knochenteile Humerus, Ulna und Radius nicht exakt genug zueinander passen oder wenn sich der Knorpel, der die Gelenkflächen des Ellbogens bedeckt, nicht richtig bildet. ED und sekundäre Arthrose ist die häufigste Ursache für die Vorderbeinlahmheit bei Hunden.
Klassischerweise besteht ED aus einer oder einer Kombination der folgenden Formen, die unten aufgeführt sind. Diese können nur in einem, häufiger aber in beiden Ellenbogengelenken auftreten.
• Mediale Koronoiderkrankng (Der Processus coronoideus ist ein Knochenvorsprung an der Ulna, der mit dem Humerus und dem Radius artikuliert. Es gibt viele Formen der Krankheit, die von Verschleiß des Knorpels über die Entwicklung kleiner Risse/Fissuren bis hin zum Abbrechen von Knochenfragmenten (Fragmentierter Processus coronoideus (FPC)) reichen.
• Ellenbogengelenksinkongruenz (unterschiedliche Längen vom Radius und Ulna oder eine Stufenbildung zwischen Radius und Ulna).
• Osteochondrose / Osteochondrosis dissecans (OC/OCD; eine Krankheit, die durch Knorpelläsionen und die Bildung von losen Knorpel-/Knochenstücken, die im Gelenk schwimmen, gekennzeichnet ist)
• Isolierter Processus Anconeus (IPA; bei dieser Form der ED ist ein Knochenfortsatz (Processus anconaeus) der Ulna im Rahmen des Wachstums nicht angewachsen)
Was verursacht eine ED?
Die meisten Patienten mit ED sind junge Hunde und es wird eine genetische Ursache vermutet. Die Studien zeigen tatsächlich, dass Ellbogendysplasie eine polygene Erbkrankheit ist und dass FCP, OCD und IPA unabhängig voneinander vererbte Merkmale sind. Es gibt leider noch keinen DNA-Test für Hunde, der helfen könnte, einen genetischen Defekt zu diagnostizieren oder Träger der Erkrankung zu identifizieren. Es ist bekannt, dass Vater und Mutter gleichermaßen zur Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von ED beitragen (Maki et al. 2002). Es ist wichtig zu wissen, dass betroffene Welpen von nicht betroffenen Eltern (Hazelwinkel und Nap 2009) stammen können, die aber betroffene Großeltern hatten. Daher sollten betroffene Hunde nicht zur Zucht eingesetzt werden.
Hunde großer Rassen, wie in der folgenden Liste, sind überrepräsentiert:
• Berner Sennenhund
• Deutscher Schäferhund
• Golden Retriever
• Labrador Retriever
• Neufundland
• Rottweiler
• Sankt Bernhard
• Bassett
Im Gegensatz zu einer genetischen Veranlagung können ältere Hunde, insbesondere sehr aktive Sporthunde (Agility, Flyball etc.), einen traumatischen Bruch des medialen Processus coronoideus erleiden: auch bekannt als „Jump Down Syndrom“. Die Prognose dafür unterscheidet sich von der Prognose für ED.
Was sind die Folgen von ED?
Alle oben aufgeführten/aufgelisteten Formen produzieren lose Knochen- und/oder Knorpelstücke im Gelenk, die wie ein Kieselstein in Ihrem Schuh reizend wirken! Daher sind eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung angezeigt, um Ihrem Haustier die bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten. Der Begriff „Arthrose“ beschreibt eine Entzündung innerhalb eines Gelenks. Je länger ein Ellbogengelenk betroffen ist, desto schlechter ist die Prognose. Schwere Arthrose führt zu Schmerzen, Lahmheit und einer schlechteren Lebensqualität.
Woher weiß ich, ob mein Hund ED hat?
Klinische Anzeichen im Zusammenhang mit ED können bei jungen (5-12 Monate alten) und bei älteren, ausgewachsenen Hunden beobachtet werden. Jüngere Hunde haben normalerweise eine der oben aufgeführten Krankheitsformen, ältere Hunde können ein „Jump-Down-Syndrom“ (siehe oben) oder eine fortgeschrittene Arthrose zeigen. Eine Lahmheit der Vorderbeine, die bei Aktivität schlimmer wird, ist das häufigste klinische Symptom. Bei beidseitiger Lahmheit scheint die Lahmheit manchmal von einer auf die andere Seite zu wechseln. Der Grad der Lahmheit kann von leicht bis stark variieren. Oft scheinen der Ellbogen und das Karpalgelenk nach außen gedreht zu sein. Das Ellbogengelenk kann geschwollen sein und manchmal, wegen eingeschränkter Beugung, schwingen die Hunde beim Gehen das Bein nach außen.
Wie wird die ED diagnostiziert?
Bei der Untersuchung des Ellbogens können Schmerzen, Schwellungen sowie Bewegungseinschränkungen festgestellt werden. Neben einer gründlichen klinischen und orthopädischen Untersuchung sollten Röntgenaufnahmen (Röntgenbilder) angefertigt werden. Es muss beachtet werden, dass in manchen Fällen auf den Röntgenaufnahmen nicht immer signifikante degenerative Veränderungen zu sehen sind, trotz einer signifikanten Ellbogenerkrankung. Bei vielen Fällen lassen sie aber noch Hinweise auf die zugrunde liegende Ursache erkennen. Als weiterführende Diagnostik kommen Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Arthroskopie in Einsatz. Die Arthroskopie ermöglicht minimal-invasiv sowohl die Diagnostik als auch, falls indiziert, die chirurgische Behandlung.
Wie wird die ED behandelt?
Die Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankungsform. Die nicht chirurgische Behandlung besteht aus Belastungsanpassung, Physiotherapie, Gewichtsabnahme, nichtsteroidalen Entzündungshemmern und Schmerzmitteln (wie Rimadyl, Metacam, Gabapentin). Nahrungsergänzungsmitteln zur Unterstützung der Gelenkgesundheit (z. B. Omega-3-Fettsäuren, Glucosamin-Chondroitinsulfat, MSM usw.) können auch eingesetzt werden. Manchmal wird die Anwendung eines medizinischen Lasers oder die Akupunktur empfohlen. Schließlich können Gelenkinjektionen mit beispielsweise Hyaluronsäure oder Steroiden (um schwere Gelenkentzündungen zu verringern) sowie Injektionen mit plättchenreichem Plasma (PRP) (um möglicherweise zerstörten Knorpel wiederherzustellen und wieder aufzubauen) eingesetzt werden. Diese Therapieeinsätze bringen nicht immer eine Besserung der Lahmheit. Insbesondere in Bezug auf Stammzell- oder PRP-Injektionen sind wissenschaftliche Studien an Hunden selten und werden kontrovers diskutiert. Sowohl bei Menschen als auch bei Pferden scheinen diese Behandlungsmodalitäten jedoch in einigen Fällen zu helfen. Wenn die oben aufgeführten Optionen zu einer Verbesserung führen, muss beachtet werden, dass sie alle nur als ein Pflaster wirken: Sie können zwar die Beschwerden Ihres Haustieres abdecken, die Ursache für das Problem ist aber normalerweise nicht behandelt – und eine wiederholte Behandlung kann erforderlich sein, wenn die klinischen Symptome wieder auftreten.
Wann ist eine Operation angezeigt?
Ein frühes chirurgisches Management von ED bietet die beste Chance, arthritische Veränderungen in betroffenen Ellenbogen zu minimieren, es muss aber betont werden, dass praktisch alle dysplastischen Ellenbogen ein gewisses Maß an Arthrose entwickeln. Ältere Hunde, bei denen Arthrose fortgeschritten ist, können immer noch bis zu einem gewissen Grad von einer arthroskopischen Operation profitieren, aber die Vorteile sind weniger vorhersehbar.
Behandlung der ED mittels Arthroskopie:
Die Verwendung eines Arthroskops stellt für viele Fälle von Ellbogendysplasie das bevorzugte Mittel zur Diagnose und Behandlung dar. Lose Knochen- oder Knorpelfragmente können entfernt werden und erkrankter Knorpel kann debridiert werden, so dass die neue Blutgefäße in den Bereich eindringen können und den Defekt mit einem Knorpelersatz zu füllen. Gelenkflüssigkeit und Gewebeproben können entnommen werden, wenn dies angezeigt ist.
Wie ist die postoperative Versorgung?
Nach der Operation zeigen die Hunde oft einen stärkeren Lahmheitsgrad als vor der Operation. Dies ist normal und wird sich mit der Zeit verbessern. Um Ihrem Hund durch die postoperative Phase zu helfen, werden spezifische Anweisungen (kühlen, Physiotherapie, Schmerzmittel, Entzündungshemmer usw.) bereitgestellt – basierend auf jedem spezifischen Patient und der zugrunde liegenden Krankheitsform. Speziell entwickelte Rehabilitationsprotokolle stehen in direktem Zusammenhang mit dem langfristigen Gesamtergebnis der ED-Behandlung. Besser gesagt – wenn Sie Ihren Hund nach der Operation zu viel schonen, ist das Ergebnis nicht so gut wie bei einer körperlichen Rehabilitation. Denken Sie nur an Menschen – wenn jemand operiert werden muss und danach einen Physiotherapeut aufsucht, wird seine Gelenkfunktion besser sein, als wenn keine postoperative Therapie durchgeführt wird. Bei Hunden ist es genauso.
Die Rehabilitationsprotokolle variieren – je nach Erkrankungsform und Ausmaß der Gelenkerkrankung. Alle Protokolle sind aber so konzipiert, dass das Aktivitätsniveau und die Intensität über einen bestimmten Zeitraum langsam gesteigert werden. Bei Hunden, die an schwerer Ellbogendysplasie leiden, kann diese Therapie bis zu 3 Monate dauern. Ziel ist es, Gelenkbeschwerden zu verringern, die Flexibilität des Gelenks zu erhöhen und Kraft und Ausdauer zu verbessern.
Wie ist die Prognose für ED?
Die Prognose hängt von dem zugrunde liegenden Problem und der Schwere der Gelenkschädigung zum Zeitpunkt der Diagnose ab. Mit entsprechender Therapie zeigen viele Patienten eine Verbesserung. Eine orthopädische Erkrankung des Ellenbogens kann aber schwierig und manchmal für alle Beteiligten frustrierend zu behandeln sein. Hunde können aus einer Situation ohne radiologische Anzeichen einer Gelenkerkrankung in das Endstadium einer Ellbogenarthrose übergehen.
Zusammenfassung
ED muss frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden, um das beste Ergebnis zu erzielen. Eine gründliche Diagnostik ist notwendig, da möglicherweise zahlreiche andere Probleme zu einer Vorderbeinlahmheit des Hundes führen können; hauptsächlich die Schulter. Die Behandlung sollte von erfahrenen Chirurgen durchgeführt werden. Die Arthroskopie ist der Goldstandard zur Diagnose und Behandlung von Ellenbogenerkrankungen. Nach der Operation ist eine Physiotherapie unerlässlich. Zahlreiche Therapiemethoden werden heutzutage geforscht und angewendet, um Hunde mit Ellbogenerkrankungen im Endstadium zu behandeln. Es gibt keine Wunderbehandlung, um jeden einzelnen Patienten mit ED erfolgreich zu behandeln, und daher ist die Prognose für die Rückkehr zu einer völlig normalen Funktion vorsichtig.
Author ©: Dirsko J.F. von Pfeil, Dr.med.vet., DVM, DACVS, DECVS, DACVSMR, DECVSMR
ACVS Founding Fellow, Minimally Invasive Surgery (Small Animal Orthopedics)
European Board of Veterinary Specialisation (EBVS®) European Specialist: Small Animal Surgery
Maki K, Groen AF, Liinamo AE, Ojala M (2002): Genetic variances, trends and mode of inheritance for hip and elbow dysplasia in Finnish dog populations. Animal Science 75, 197–207
Hazelwinkel HAW and Nap RC (2009a): Elbow dysplasia; a definition and known aetiologies. Proceedings of 24th Annual Meeting of International Elbow Working Group. pp 6-18
Pieter Nelissen
Chefarzt Chirugie
MVM MRCVS CertSAS DECVS
EBVS European Specialist in Small Animal Surgery
RCVS recognised Specialist in Small Animal Surgery
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